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Blog-Reihe zum Thema Klimaschutz, Lebensstil und Bewegung: Bewegung als Health Co-Benefit

Warum die dringliche gesellschaftliche Relevanz eines aktiven Lebensstils und somit den Bedarf, Bewegungsförderung politisch zu verankern, besteht, kann nicht oft genug hervorgehoben werden:

  1. Körperliche Aktivität verringert das Risiko für nicht-übertragbarer Krankheiten wie z. B. kardiovaskuläre Erkrankungen, Diabetes und verschiedene Krebserkrankungen und hat positive Effekte auf die mentale Gesundheit [1].
  2. Weltweit erreichen 1 von 4 Erwachsen sowie 3 von 4 Jugendlichen (11-17 Jahre) nicht die Empfehlungen für körperliche Aktivität der WHO (welche insgesamt auch den Nationalen Empfehlungen für Bewegung und Bewegungsförderung entsprechen [2], also mindestens 150 Minuten moderat-intensive körperliche Aktivität (oder 75 Minuten intensive körperliche Aktivität) und 2-maliges Kräftigungstraining pro Woche [3].

Wo können nun Synergieeffekte im Handlungsfeld Gesundheit in Wechselwirkung mit Klimaschutzmaßnahmen entstehen? Das alltägliche Mobilitätsverhalten in Verbindung mit körperlicher Aktivität ist eine Chance für die dringend benötigte Mobilitätswende. Der Verkehrssektor ist für rund ein Fünftel aller Treibhausgasemissionen in Deutschland verantwortlich [4]. Zudem verbraucht ebendieser Sektor rund ein Drittel der erzeugten Energie [5]. Daten im Auftrag der Europäischen Union zeigen, dass 54 % der EU-Bürger und -Bürgerinnen aktuell einen motorisierten Individualverkehr und nur 8 % das Fahrrad nutzen [6]. Direkte Folgen dieses Verhaltens sind Luftverschmutzung, Lärmbelastung, Umweltbelastung durch Emissionen, Verkehrsunfälle, Verstärkung des Risikofaktors Bewegungsmangel – in dem Fall insbesondere auch des sedentären Verhaltens.

Fahrradfahren und Zufußgehen als Schlüsselfaktoren der klimafreundlichen Mobilität

Die gemeinsame Erklärung Klimapakt hebt hervor, den Nutzen von Bewegung bzw. Mobilität (Laufen, Radfahren oder Elektromobilität) noch stärker sichtbar zu machen [7]. Zudem verweist die Gipfelerklärung des Bewegungsgipfels des Bundes, der Länder sowie der Kommunen (2022) auf einen Fokus aktiver Mobilität sowie den Bau flächendeckender, möglichst vom Kraftfahrzeugverkehr getrennter und sicherer Radinfrastrukturen vor Ort und im Fernradwegenetz [8]. Dass die Motivation der Menschen zum Aktiven Transport (z. B. dem Fahrradfahren) nicht an der vermeintlichen Faulheit und Motivationslosigkeit der Menschen scheitert, wird an fortschrittlichen Städten hinsichtlich der Fahrrad-Infrastruktur wie Utrecht oder Kopenhagen deutlich. Häufig sind es (Bewegungs-)Barrieren, die das Verhalten bzw. die Verhaltensänderung verhindern/erschweren. Abu-Omar et al. (2020) kritisieren, dass keine öffentlichen Beratungsangebote hinsichtlich der ökologischen Vorteile des Fahrradfahrens und Zufußgehens bestehen [9]. Andererseits leben wir aktuell in Verhältnissen, die mehrheitlich Barrieren für das Radfahren – aber auch das Zufußgehen – hervorbringen. Eine Untersuchung des Umweltbundesamtes zur Motivation zur aktiven Mobilität ergab, dass das Rad u. a. aufgrund der empfundenen Unterlegenheit im Straßenverkehr und aufgrund der hohen Unfallgefahr nicht genutzt wird. Je interessanter, angenehmer und flexibler das Radfahren empfunden wird, desto wahrscheinlicher ist es, dass viele Wege damit bewältigt werden. Ähnliche Ergebnisse lagen für das Zufußgehen vor.

Aus den besten Städten für Autos müssen die besten Städte für Fahrräder und Zufußgeher und Zufußgeherinnen werden. Dieser Paradigmenwechsel bedarf Anreize und einer starken Lobby. Die Anreize, mit dem Auto in die Stadt zu fahren, müssten sich umkehren zu Anreizen, das Auto stehen zu lassen und den ÖPNV oder das Rad zu nutzen. Hierfür benötigt es eine höhere Dichte an Fahrradinfrastruktur-unterstützenden Strukturen im Lokalen (Vereine, Werkstätten, Fahrradgaragen etc.), sichere und barrierearme Fahrrad(-fern)Wege sowie eine Mobilitäts- und Verkehrserziehung in den Schulen, die sich mit den Auswirkungen des motorisierten Verkehrs auf Menschen und Umwelt und der Gestaltung einer zukunftsfähigen Mobilität auseinandersetzt [4].

Fazit

Für eine echte Transformation benötigen wir alle verfügbaren Kräfte und sofortiges Handeln in Form von Emissionseinsparungen. Sowohl Privatpersonen und vor allem bestehende gesellschaftliche Institutionen müssen bereit sein, die klimawandelbedingten Anforderungen anzunehmen sowie bestehende Widersprüche anzuerkennen. Es ist in dem Fall und vor allem mit Blick auf die Uhr nicht wichtig und im hohen Maße kontraproduktiv, sich in Abwehrkämpfen und Schuldzuweisungen zu verstricken. Ebenso kontraproduktiv ist es, auf eine „erlösende“ Zukunftstechnologie zu warten, die es uns erlaubt weiterzumachen wie bisher: diese wird es nicht geben und außerdem – wer möchte eigentlich so weitermachen wie bisher? Wir benötigen dafür alle gesellschaftlichen Kräfte und sozial-ökologisch gerechte Handlungsstrategien – ohne Bearbeitung der sozialen Frage kann es wiederum keinen ökologischen Wandel geben. Nicht-Handeln ist keine Option und ist unverantwortlich gegenüber Folgegenerationen.

Der DVGS e. V. nimmt sich dieser Verantwortung satzungsgemäß (§ 2 Zweck und Aufgaben) an und möchte mit einem ganzheitlichen Blick auf Klimaschutz, gesundheitliche Chancengleichheit sowie als öffentliche Institution der Bewegungsförderung seinen Beitrag leisten. Zudem möchte er seine Mitglieder und Partner dafür sensibilisieren, sich ihrer Verantwortung und ihren Möglichkeitsspielräumen bewusst zu werden. Es geht also zentral darum, das öffentliche Bewusstsein für ge­sundheitliche Folgen des Klimawandels zu stärken.

Klimagerechtigkeit und Gesundheitsgerechtigkeit können nur gemeinsam und im Zusammenwirken entstehen. Bewegungsfachberufe sind von Haus aus Emissionsminderer, da sie das Medium Bewegung nutzen, um bspw. einen bewegungsreicheren und somit emissionsärmeren Alltag zu vermitteln. Sie können somit einen sozial-ökologischen Wandel aktiv mitgestalten. Kurzum: „All of us can play a part in triggering positive tipping points“.

Autor:

Martin Steffen

Deutscher Verband für Gesundheitssport und Sporttherapie (DVGS) e.V.

Vogelsanger Weg 48

50354 Hürth-Efferen

martin.steffen@dvgs.de

Literatur:

[1] World Health Organization. WHO guidelines on physical activity and sedentary behavior. Geneva: World Health Organization; 2020. Im Internet: https://www.who.int/publications/i/item/9789240015128; Stand: 05.04.2023

[2] Rütten A, Pfeifer K. Hrsg. Nationale Empfehlungen für Bewegung und Bewegungsförderung. Köln: Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung; 2016

[3] World Health Organization. Physical activity. Key facts. Geneva: World Health Organization (Oktober 2022). Im Internet: https://www.who.int/news-room/fact-sheets/detail/physical-activity; Stand: 05.04.2023

[4] Nationale Präventionskonferenz. Prävention, Gesundheits-, Sicherheits- und Teilhabeförderung in Lebenswelten im Kontext klimatischer Veränderungen (November 2022). Im Internet: https://www.npk-info.de/fileadmin/user_upload/umsetzung/pdf/praevention_gesundheits-_sicherheits-_und_teilhabefoerderung_in_lebenswelten_im_kontext_klimatischer_veraenderungen.pdf; Stand: 05.04.2023

[5] United Nations Economic Commission for Europe. Climate Neutral Cities. How to make cities less energy and carbon intensive and more resilient to climatic challenges (2011). Im Internet: https://unece.org/fileadmin/DAM/hlm/documents/Publications/climate.neutral.cities_e.pdf; Stand: 05.04.2023

[6] United Nations Economic Commission for Europe & Government of the Netherlands. Road transport facts and figures. How healthy and environmentally friendly is our transport today? (Mai 2021). Im Internet: https://thepep.unece.org/sites/default/files/2021-05/eMagazine%20Road%20transport%20facts%20%20figures_updated%2017%20May%202021_1.pdf; Stand: 05.04.2023

[7] Bundesministerium für Gesundheit. Klimapakt Gesundheit. Gemeinsam für Klimaanpassung und Klimaschutz im Gesundheits­wesen eintreten (Dezember 2022). Im Internet: https://www.bundesgesundheitsministerium.de/fileadmin/Dateien/3_Downloads/G/Gesundheit/Erklaerung_Klimapakt_Gesundheit_A4_barrierefrei.pdf; Stand: 05.04.2023

[8] Bundesministerium des Inneren und Heimat & Bundesministerium für Gesundheit. Gipfelerklärung zum Bewegungsgipfel des Bundes, der Länder, der Kommunen und des organisierten Sports
„Bewegung und Sport für Alle“ (2022). Im Internet: https://www.bmi.bund.de/SharedDocs/downloads/DE/veroeffentlichungen/2022/bewegungsgipfel-erklaerung.pdf;jsessionid=FAE524AA36EC24B654F7CF22FD456320.2_cid340?__blob=publicationFile&v=3; Stand: 05.04.2023

[9] Abu-Omar K, Gelius P and Messing S. Physical activity promotion in the age of climate change [version 2; peer review: 2 approved] (Mai 2020). Im Internet: https://f1000research.com/articles/9-349/v2; Stand: 05.04.2023