Bewegungsförderung fördert Sportförderung
Der Deutsche Verband für Gesundheitssport und Sporttherapie e.V. ist Teilnehmer am Runden Tisch „Bewegung und Gesundheit“ des Bundesministeriums für Gesundheit.
Sportförderung
Der Koalitionsvertrag der Ampelkoalition intendiert unter der Federführung des Bundesministeriums des Innern und der Heimat die Förderung des Sportes – in seinen Facetten Freizeit-, Gesundheits- und Breitensport, Behindertensport und Spitzensport.
Auszug aus dem Koalitionsvertrag 2021-2025: [1]
„Sport lebt vom Ehrenamt, stärkt den gesellschaftlichen Zusammenhalt und ist Mittler für demokratische Werte. Wir erarbeiten unter breiter Beteiligung einen „Entwicklungsplan Sport“ und weiten die Offensive für Investitionen in Sportstätten von Kommunen und Vereinen unter Beachtung von Nachhaltigkeit, Barrierefreiheit und Inklusion aus und berücksichtigen insbesondere Schwimmbäder stärker. Bei der Sportförderung berücksichtigen wir den besonderen Bedarf von Behindertensport. Wir fördern den Neustart des Breitensports nach Corona weiter. Die Sportförderung des Bundes knüpfen wir an die Einhaltung von Förderrichtlinien mit Zielvorgaben, Vorgaben zu Transparenz, Good Governance und die Qualifikation von Leistungssportpersonal. In der Spitzensportförderung richten wir eine unabhängige Instanz zur Mittelvergabe sowie ein Transparenzportal ein. Das Potenzialanalysesystem (PotAS) evaluieren wir und entwickeln es mit dem Ziel von mehr Effektivität und Entbürokratisierung weiter. Wir schaffen bessere Rahmenbedingungen für den Spitzensport. Die Mitwirkungsrechte der Athletinnen und Athleten stärken wir durch die dauerhafte Finanzierung der Vereinigung Athleten Deutschland e.V. Um den Kampf gegen physische, psychische und insbesondere sexualisierte Gewalt im Sport zu verbessern, unterstützen wir den Aufbau eines unabhängigen Zentrums für Safe Sport. Wir legen ein Bundesprogramm gegen Rechtsextremismus und Menschenfeindlichkeit im Sport auf. Dopingprävention fördern wir stärker, verbessern die internationale Zusammenarbeit und arbeiten die Dopingvergangenheit Deutschlands mit Forschungsprojekten auf. Das Nationale Konzept Sport und Sicherheit wird weiterentwickelt. Die Datei „Gewalttäter Sport“ wird in Hinblick auf Rechtsstaatlichkeit, Löschfristen, Transparenz und Datenschutz reformiert. Zur Unterstützung der Fankultur wird die Koordinationsstelle Fanprojekte gestärkt. Vergabe und Ausrichtung von internationalen Sportgroßveranstaltungen sollen strikt an die Beachtung der UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte und Nachhaltigkeit geknüpft sein. Wir werden die Special Olympics 2023 in Berlin und die Fußball-Europameisterschaft der Männer 2024 sowie zukünftige Bewerbungen für Sportgroßveranstaltungen aus Deutschland wie Olympische und Paralympische Spiele unterstützen, die von diesen Grundsätzen getragen sind und die Bevölkerung rechtzeitig einbeziehen.“
Bewegungsförderung
Seit 2010 widmet sich eine mit Wissenschaftlern und Anwendern besetzte Arbeitsgruppe der evidenzbasierten „Bewegungsförderung im Alltag“ unter der Schirmherrschaft des Bundesministeriums für Gesundheit.
Ein wichtiges Ergebnis dieser Arbeitsgruppe sind die 2016 veröffentlichten „Nationalen Empfehlungen für Bewegung und Bewegungsförderung“ [2] des Bundesministeriums für Gesundheit, welche durch den DVGS unterstützt wurden. Diese evidenzbasierten Empfehlungen richten sich an die professionellen Akteure, Multiplikatoren und Organisationen im Feld der Bewegungsförderung. In diesen Empfehlungen wird „Bewegung“ unter der Gesundheitsperspektive betrachtet. Bewegung umfasst demnach alle „gesundheitsförderlichen körperlichen Aktivitäten“[1]. Diese sind im internationalen Kontext weiter gefasst als der Begriff „Sport“ und umfasst alle körperlichen Aktivitäten über Freizeittätigkeiten (z.B. Sport) hinaus – eben auch Alltagsbewegung, bzw. den bewegungsaktiven Transport sowie auf Bewegung am Arbeitsplatz, im Beruf oder Haushalt. Die gesundheitsförderlichen Wirkweisen sind in diesem Bereich besser belegt als im Sport.
Das Bundesministerium für Gesundheit förderte in der Folge auch die „Systematische Erfassung relevanter Akteure, Berufsgruppen sowie künftige Multiplikatoren in der Bewegungsförderung zur Analyse und Entwicklung eines interdisziplinären Netzwerks zur nachhaltigen Bewegungsförderung“ (SAMBA). Das Projekt wurde geleitet durch den DVGS e.V. in Kooperation mit dem Institut für Sport und Sportwissenschaft Karlsruhe (KIT) [3]. Dieses Projekt führte zu einer wichtigen Erkenntnis: zur Bewegungsförderung konnten wichtige Schlüsselplayer identifiziert werden. Diese wichtigen Akteure, Berufsgruppen und Multiplikatoren agieren jedoch in „Verinselung“ – ohne gemeinsame gesundheitspolitische Zielrichtung oder im Austausch.
Drei der wichtigsten identifizierten und relevanten Akteure für die Bewegungsförderung haben sich in der Folge in eine Zusammenarbeit begeben: die Bundesvereinigung für Prävention und Gesundheitsförderung (BVPG), der DOSB (Deutscher Olympischer Sportbund) und der DVGS. Die engere Zusammenarbeit führte schließlich zu einer durch das Bundeministerium für Gesundheit unterstützte Statuskonferenz in Leitung der BVPG „Bewegung und Bewegungsförderung“, die am 05.03.2020 in Frankfurt am Main in Kooperation mit dem Deutschen Verband für Gesundheitssport und Sporttherapie e.V. (DVGS) und dem Deutschen Olympischen Sportbund e.V. (DOSB) stattfand. Beteiligt war zudem das WHO Collaborating Centre for Physical Activity and Public Health an der FAU Erlangen-Nürnberg [4].
Sportförderung braucht Bewegungsförderung
Das Engagement zur Sportförderung mündete 2022 am 13.12.2022 in einem „Bewegungsgipfel“ unter Beteiligung des Bundesministeriums des Innern und der Heimat, des Bundesministeriums für Gesundheit sowie des organisierten Sports.
Seit Oktober 2022 initiiert zur Bewegungsförderung das Bundesministerium für Gesundheit den „Runden Tisch für Bewegung und Gesundheit“. Teilnehmende am Runden Tisch sind im Wesentlichen alle Bundesministerien, das Bundeskanzleramt, Landesministerien, die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung sowie das Robert-Koch-Institut, Vertreter der Fachministerkonferenz der Länder, Sozialversicherungsträger sowie die Private Kranken- und Pflegeversicherung und auch die BVPG, der organisierte Sport, WHO Collaborating Centre for Physical Activity and Public Health sowie auch der DVGS.
In mehreren Sitzungen werden die Evidenz, Aspekte, Aufgaben und Maßnahmen sowie die Beiträge der Anwesenden lebensphasenbegleitend diskutiert und das Fazit in einem Konsensuspapier im Herbst 2023 erstellt werden.
Der DVGS übernimmt am Runden Tisch zum Thema „Bewegung und Gesundheit“ die Rolle des Partners für den Wissenstransfer: evidenzbasierte Bewegungsförderung muss über alle Lebensphasen und in allen Lebenswelten systematisch und vernetzt implementiert werden. Von Geburt bis ins hohe Alter müssen Menschen an körperliche Aktivität gebunden werden, um eigenverantwortlich die Vorgaben der Nationalen Empfehlungen für Bewegung und Bewegungsförderung bzw. die Empfehlungen der Weltgesundheitsorganisation (WHO) zur körperliche Aktivität und sitzendem Lebensstil [5] erfüllen zu können.
Die Motivation zu bewegungsförderlichem Verhalten führt erst in der Folge im besten Fall zur körperlichen Aktivität im Sportverein.
Bewegungsförderung ist nicht nur eine Aufgabe der Gesundheitsförderung und Prävention, sondern findet auch in anderen Versorgungsbereichen statt. Gerade auch chronisch Erkrankte oder Menschen mit Pflegezuständen bedürfen im Rahmen der Rehabilitation, in der Rehabilitations-Nachsorge sowie in der Pflege der Bewegungsförderung bzw. der Bewegungstherapie. Wichtig in diesem Zusammenhang ist die Aufgabe, die Schnittstellen zwischen den Versorgungsbereichen durch entsprechende Versorgungsangebote zu füllen.
Politische Positionierung des DVGS
- Die Begrifflichkeit körperliche Aktivität, Bewegung, Bewegungsförderung, Bewegungstherapie und Sport sind in deren Zielorientierung und evidenzbasierter Gesundheitswirkung zu differenzieren.
- Zur Bewegungsförderung benötigen wir in Deutschland eine nationale strukturelle Verankerung auf bundespolitischer Ebene etwa ein nationales „Kompetenzzentrum für Bewegungsförderung“.
- Die Evidenzgrundlage für Bewegung und Bewegungsförderung begründet eine eigenständige Agenda und Strukturen.
- Die „Bewegungsförderung“ muss als eigenständiges Gesundheitsziel entwickelt werden.
Literatur:
[1] Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD), Bündnis 90/Die Grünen, Freie Demokratische Partei (FDP) (2021). Mehr Fortschritt wagen. Bündnis für Freiheit, Gerechtigkeit und Nachhaltigkeit. Koalitionsvertrag 2021-2025 zwischen der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands (SPD), Bündnis 90/Die Grünen, und den Freien Demokraten (FDP). Düren: Schloemer & Partner. Online verfügbar unter: https://www.spd.de/fileadmin/Dokumente/Koalitionsvertrag/Koalitionsvertrag_2021-2025.pdf
[2] Rütten, A., Pfeifer K., Abu-Omar, K. et al. Nationale Empfehlungen für Bewegung und Bewegungsförderung. Erlangen: 2016. https://www.sport.fau.de/files/2016/05/Nationale-Empfehlungen-f%C3%BCr-Bewegung-und-Bewegungsf%C3%B6rderung-2016.pdf
[3] Peters S., Wäsche H., Projektteam SAMBA. Projekt SAMBA. „Systematische Erfassung relevanter Akteure, Berufsgruppen sowie künftige Multiplikatoren in der Bewegungsförderung zur Analyse und Entwicklung eines interdisziplinären Netzwerks zur nachhaltigen Bewegungsförderung. Bewegungstherapie und Gesundheitssport 2017; 33: 114-118
[4] Statuskonferenz Bewegung und Bewegungsförderung. Interview mit Angelika Baldus und Mischa Kläber. Abgerufen am 01.02.2023 unter https://dvgs.de/de/features/blog/item/113-statuskonferenz-bewegung-und-bewegungsf%C3%B6rderung-%E2%80%93-interview-mit-angelika-baldus-und-mischa-kl%C3%A4ber.html
[5] World Health Organization. WHO guidelines on physical acitivity and sedentary behaviour (November 2020). Im Internet: https://www.who.int/publications/i/item/9789240015128; Stand: 01.02.2023
[1] Angewendet in Anlehnung an den im internationalen Kontext gebräuchlichen Begriff „health-enhancing physical activity“ [2]