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Blog-Reihe zum Thema Klimaschutz, Lebensstil und Bewegung: Klimawandel, Gesundheit und Lebensstil

In den kommenden Monaten werden mehrere Blog-Beiträge zum Thema Klimaschutz, Lebensstil und Bewegung erscheinen. Die Beiträge entstammen eines umfangreichen Artikels, der in der Fachzeitschrift Bewegungstherapie und Gesundheitssport (B&G) 04/2023 erscheinen wird. Die Beitragsreihe orientiert sich dabei an bestehenden Erkenntnissen und hat das Ziel, neue Impulse zum Thema Klimaschutz im Zusammenhang mit Lebensstil und Bewegung zu setzen.

Die Vereinten Nationen (UN) definieren den Klimawandel folgendermaßen: „Der Begriff „Klimawandel“ bezeichnet langfristige Veränderungen der Temperaturen und Wettermuster. Diese Veränderungen können natürlichen Ursprungs sein und beispielsweise durch Schwankungen in der Sonnenaktivität entstehen. Doch seit dem 19. Jahrhundert ist der Klimawandel hauptsächlich auf menschliche Tätigkeiten zurückzuführen, allen voran die Verbrennung fossiler Brennstoffe wie Kohle, Erdöl und Erdgas“ [1]. Wir befinden uns im sogenannten Anthropozän. Der Begriff „Anthropozän“ bezeichnet ein neues geologisches Zeitalter, in dem die Menschheit den dominanten geophysikalischen Einfluss auf das Erdsystem hat und daraus die Verantwortung des Menschen für die Zukunft des Planeten abgeleitet wird [2].

Status-Quo Klimawandel

Wo stehen wir aktuell? Wir befinden uns im Jahr 2023: 51 Jahre nach dem aufrüttelnden Bericht des Club of Rome, 28 Jahre nach der ersten UN-Klimakonferenz, 8 Jahre nach dem Pariser Klimaabkommen. Der Kohlendioxid-Anteil der Atmosphäre steigt weiterhin beständig an und liegt nun bei 420 ppm (parts per million). Hauptursache der Erwärmung ist die Freisetzung von Treibhausgasen, insbesondere von Kohlendioxid. Dessen Konzentration ist in der Atmosphäre so hoch wie noch nie zuvor in den zurückliegenden 800.000 Jahren. Bliebe die derzeitige Emissionsrate unverändert wäre schon Mitte dieses Jahrhunderts – im Jahre 2050 – so viel Kohlendioxid in die Atmosphäre emittiert, dass die globale Mitteltemperatur über 2 Grad Celsius gegenüber dem vorindustriellen Niveau ansteigt.

Für den Großteil der Emissionen sind multinationale Großkonzerne verantwortlich: 70 Prozent der Kohlendioxid-Emissionen erzeugen gerade mal 100 Unternehmen [3]. Fossile Kapitalströme verursachen wiederum den Großteil davon. Das weltweit reichste ein Prozent (63 Millionen Menschen) erzeugen 15 Prozent der Emissionen [4]. Die ärmere Hälfte der Weltbevölkerung erzeugt 7 Prozent der Emissionen. In Deutschland sind 30 Unternehmen für 30 Prozent der Emissionen verantwortlich [5]. Ebenso sind in Deutschland die reichsten 10 Prozent (8,3 Millionen Menschen) für 26 Prozent der Emissionen verantwortlich. Dahingehend verschärft sich die Ungleichheit in Deutschland stetig weiter [6]. Die bestehenden Verhältnisse begünstigen eine Umverteilung des Vermögens nach oben. Unabhängig davon, ob es die breite Bevölkerung schafft, dass die Kohlendioxid-Emissionen morgen bei null lägen, würden aktuell die reichsten 10 Prozent das Kohlendioxid-Budget innerhalb weniger Jahre aufbrauchen [7].

Experten und Expertinnen definieren das Zeitfenster, in dem Veränderung stattfinden muss, mit 3 bis 7 Jahren. In diesen 3 bis 7 Jahren entscheidet es sich, ob die neuralgische Schwelle von 1,5 bis 2 Grad Celsius Erderwärmung überschritten wird. Durch jede weitere Verzögerung vielfältiger konzentrierter Maßnahmen zur Anpassung und Abschwächung wird ein kurzes und sich rasch schließendes Zeitfenster verpasst werden [8]. Auf die Nichtüberschreitung der 1,5-Grad-Schwelle haben sich letztlich 195 Staaten auf der Weltklimakonferenz 2015 geeinigt und verpflichtet. 1,5 Grad Celsius sind weitaus mehr als ein willkürliches politisches Ziel. Mit jedem Zehntelgrad Erwärmung mehr erhöhen sich die Risiken und die Auswirkungen von abrupten und irreversiblen Veränderungen im Klimasystem [9]. So wie jede Sekunde bei einem Schlaganfall irreversible Schäden vermeiden können entscheiden beim Klimawandel Zehntel-Grade sowie die Menge an ausgestoßenem Kohlendioxid, welches extrem lange in der Atmosphäre bleibt.

Um diese Ziele zu erreichen sind eine sofortige globale Trendwende inklusive tiefgreifender Treibhausgas-Minderungen in allen Weltregionen und allen (Wirtschafts-)Sektoren notwendig [10]. Der globale Norden bzw. die westlichen Industriestaaten waren und sind dabei aufgrund ihrer Produktionsweise im großen Maße verantwortlich für den Klimawandel. Sprich: Wir benötigen eine Dekarbonisierung der Weltwirtschaft – und das so schnell es geht. Aufgrund der Tatsache, dass Treibhausgase für Jahrhunderte in der Atmosphäre bleiben, kommt es – neben dem so oft öffentlich breit diskutierten Zeitpunkt der Klimaneutralität – vielmehr darauf an, wie viele Emissionen insgesamt noch ausgestoßen werden. Laut Modellen und jüngsten Veröffentlichungen des Weltklimarats (IPCC) ist davon auszugehen, dass sich die Erde mit jeweils 1.000 Gigatonnen Kohlendioxid um weitere 0,45 Grad erwärmt. Zur Einordnung dieser Zahl: Allein im Jahr 2022 hat die Welt rund 41 Gigatonnen CO₂ ausgestoßen. Wissenschaftlich fundierte Schätzungen dazu liefert das Global Carbon Project. Kurzum: Es muss sofort und auf allen Ebenen Kohlendioxid eingespart werden.

We must act now!

Der Klimawandel ist somit längst Realität und wir stehen aktuell bei 1,1 Grad Celsius Erderwärmung [8]. Die Prognosen der Experten und Expertinnen sowie die parallel stattfindenden globalen Krisen (z. B. Kriege in Syrien und der Ukraine, Corona-Pandemie) vervollständigen ein düsteres Szenario, welches zum Einigeln und Zurückziehen einlädt: Wer fühlt sich in diesen Zeiten nicht teilweise ohnmächtig und hoffnungslos? Wie soll man bei dieser erdrückenden Last optimistisch bleiben? Eines bleibt allerdings klar und unumkehrbar: es ist weiterhin möglich, die Ziele des Pariser Klimaabkommens zu erreichen. Bei all diesen eher dystopischen Fakten sollte die Zuversicht nicht weichen. „Die Menschheit befindet sich zu sehr im Krisenmodus, dabei verlieren wir den Blick für Möglichkeits- und Gestaltungsspielräume“ betonte Diplom-Biologin Prof. Dr. Claudia Hornberg in ihrem Vortrag auf dem „Länger besser leben“-Kongress mit dem Schwerpunkt Klima und Gesundheit im letzten Jahr. Wir brauchen Kooperation, Vernunft und Aktion. Wir müssen ins Handeln kommen „We must act now!“.

Im nächsten Beitrag der Reihe geht es um Planetary Health und Soziale Kippelemente:

–          Was ist Planetary Health und was trägt das Konzept zum Verständnis bei?

–          Was sind Soziale Kippelemente und –punkte?

–          Lebensstil als Sozialer Kipppunkt

Autor:

Martin Steffen

Deutscher Verband für Gesundheitssport und Sporttherapie (DVGS) e.V.

Vogelsanger Weg 48

50354 Hürth-Efferen

martin.steffen@dvgs.de

Literatur: 

[1] Vereinte Nationen. Was ist Klimawandel? (2021). Im Internet: https://unric.org/de/klimawandel/; Stand: 05.04.2023

[2] Bundeszentrale für politische Bildung. Das Anthropozän Erzählen: fünf Narrative (Mai 2018). Im Internet: https://www.bpb.de/shop/zeitschriften/apuz/269298/das-anthropozaen-erzaehlen-fuenf-narrative/; Stand: 05.04.2023

[3] Zerbes J. Klimakrise: 100 Konzerne verursachen 70% aller CO2-Emissionen (Juni 2021). Im Internet: https://kontrast.at/corona-klima/; Stand: 05.04.2023

[4] Suhr F. So sehr schaden die Reichen dem Klima (September 2020). Im Internet: https://de.statista.com/infografik/22978/anteil-der-verursachten-co2-emissionen-weltweit-nach-einkommensgruppen/

[5] Tagesschau. Treibhausgase in Deutschland: Ein Drittel aller Emissionen von nur 30 Firmen (März 2022). Im Internet: https://www.tagesschau.de/wirtschaft/unternehmen/treibhausgase-emissionen-deutschland-klimawandel-101.html; Stand: 05.04.2023

[6] Oxfam. Gewaltige Ungleichheit. Warum unser Wirtschaftssystem von struktureller Gewalt geprägt ist und wie wir es gerechter gestalten können (Januar 2022). Im Internet: https://www.oxfam.de/system/files/documents/oxfam_factsheet_gewaltige_ungleichheit.pdf; Stand: 05.04.2023

[7] Gore, T. (2020): CONFRONTING CARBON INEQUALITY. Putting climate justice at the heart of the COVID-19 recovery (September 2020). Im Internet: https://www.oxfam.de/system/files/documents/20200921-confronting-carbon-inequality.pdf; Stand: 05.04.2023

[8] International Panel for Climate Change SYNTHESIS REPORT OF THE IPCC SIXTH ASSESSMENT REPORT (AR6) (2023). Im Internet: https://www.ipcc.ch/report/ar6/syr/; Stand: 05.04.2023

[9] Zeit Online. Wohlhabende verursachen mehr Kohlendioxid-Emissionen (September 2020). Im Internet: https://www.zeit.de/wissen/umwelt/2020-09/klimawandel-co2-ausstoss-wohlhabende-menschen-oxfam-studie; Stand: 05.04.2023

[10] Umweltbundesamt. Treibhausgasminderungsziele Deutschlands (Februar 2022). Im Internet: https://www.umweltbundesamt.de/daten/klima/treibhausgasminderungsziele-deutschlands#internationale-vereinbarungen-weisen-den-weg; Stand: 05.04.2023