Gesundheit Aktuell, Kongresse

Deutscher Krebskongress (DKK), 13.-16. November 2022

Der alle zwei Jahre stattfindende Deutsche Krebskongess (DKK) ist der größte onkologische Kongress im deutschsprachigen Raum und damit ein Pflichttermin für alle, die in der Onkologie tätig sind. In seiner 35. Auflage fand der DKK vom 13. bis 16. November 2022 statt und begrüßte über 10.000 Besucher aus verschiedensten Professionen im City Cube in Berlin. Auch das Thema Bewegung war auf DKK vertreten. Ihm kam bei über 300 Sitzungen, die sich auf knapp 20 Konferenzräume und Vortragssäle verteilten, allerdings nur eine randständig Rolle zu. Dies zeigte sich beispielsweise in der Terminierung der Hauptvorträge zum Thema, die erst am Nachmittag des letzten Konferenztages stattfanden und somit vor allem jene Menschen anzogen, die sich ohnehin mit dem Thema beschäftigen bzw. ein so großes Interesse daran hatten, dass sie dafür sogar ihre Heimreise verschoben.

Besagter Mittwoch Nachmittag startete mit einer Podiumsdiskussion mit Titel „Ärztliche Bewegungsempfehlung und Sportangebote für Krebsprävention und -nachsorge“. Die Podiumsdiskussion fand under dem Vorsitz von DVGS-Präsidiumsmitglied Prof. Dr. Freerk Baumann vom Universitätsklinikum Köln und dem Co-Vorsitz von Dr. Mischa Kläber vom Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB) statt. Als Diskutanten waren PD Dr. Joachim Wiskemann vom Nationalen Centrum für Tumererkrankungen in Heidelberg als Vertreter der klinischen Sportwissenschaft und Dr. med. Axel Klein niedergelassener Orthopäde und Vizepräsident der Deutsche Gesellschaft für Sportmedizin und Prävention – Deutscher Sportärztebund (DGSP) e.V., die Vizepräsidentinnen des Deutschen Behindertensportverbandes (DBS) Dr. med Vera Jaron und des DOSB Kerstin Holze als Vertreterinnen des organisierten Sports geladen. Zentrum der Diskussion war das vom DOSB, der deutschen Ärztekammer und der DGSP ins Leben gerufene „Rezept für Bewegung“. Dabei handelt es sich nicht um ein tatsächliches Rezept, sondern eher eine schriftliche Empfehlung, die der Arzt ausstellen und den Betroffenen als vermeintlichen Motivator an die Hand geben kann. Neben einer potentiell motivierenden Wirkung kann im „Rezept für Bewegung“ aber auch vermerkt werden, was bei einer Sportteilnahme zu berücksichtigen ist und welche Zielstellungen mit der Bewegung verfolgt werden. Leider kam es zu keiner kritischen Auseinandersetzung mit dem „Rezept für Bewegung“. Sehr zu bedauern ist außerdem, dass versäumt wurde auf die Zusammenarbeit zwischen Sportwissenschaft und Medizin einzugehen. Beide Punkte wurden lediglich in einer Anmerkung von PD Dr. Wiskemann bedient. Konkret wurde bier zu Bedenken gegeben, dass in Anbetracht der hohen Komplexität der onkologisch Betroffenen hinsichtlich ihres Nebenwirkungsprofils und potentieller Kontextfaktoren, eine adäquat qualifizierte Bewegungsfachkraft notwendig ist, welche befähigt ist, die medizinischen und trainingswissenschaftlichen/-therapeutischen Informationen zu verknüpfen, wie sie durch den DVGS oder die Onkologische Bewegungs- und Trainingstherapie (OTT) vermittelt werden. Leider wurde diese Anmerkung in der ferneren Diskussion nicht mehr aufgegriffen oder vertieft. Trotz des hohen Anspruches, mit welchem Sport-/Bewegungstherapeuten in der Onkologie konfrontiert sind, hat die Unspezifität und Oberflächlichkeit der Podiumsdiskussion einmal mehr das geläufige Image der Bewegung bestärkt, dass Bewegung für jeden Menschen in ähnlichem Maße wirksam ist und der Arzt der Experte für Bewegung sei. Ein Bild, das für die Qualitätssicherung wie auch die Professionalisierung der Bewegungstherapie leider eher hinderlich als förderlich ist und der Rolle des Sport-/Bewegungstherapeuten nicht gerecht wird.

Die Tatsache, dass Bewegung an die Spezifika der Betroffenen bedarfsgerecht angepasst werden muss, wurde in der nachfolgenden Fortbildungssitzung „Onkologische Bewegungstherapie in den Sektoren – State of the Art“ nachgeholt, die unter dem Vorsitz von Prof. Dr. Jutta Hübner und Co-Vorsitz von Nils Schaffrath stattfand. Den Auftakt machte PD Dr. Joachim Wiskemann mit einem Vortrag über das Thema „Prähabilitation“, also dem Einsatz von Training vor der onkologischen Operation im Rahmen derer Betroffene fit für die OP gemacht werden sollen, um das perioperative Komplikationsrisiko und die Hospitalisierungsdauer zu reduzieren (siehe auch die DVGS Blog-Beiträge zur Prähabilitation URL). Dr. Thomas Kubin knüpfte thematisch mit einem Vortrag zur Bewegungstherapie während der medizinischen Tumortherapie an und zeigte die Wirkpotentiale der Bewegung auf, die Bewegung auf tumortherapieassoziierte Nebenwirkungen besitzt. Prof. Dr. Freerk Baumann schloss mit einem Vortrag zur Rolle der Bewegung in der Frührehabilitation an. Hierbei verstand Prof. Baumann die historischen Ursprünge der onkologischen Bewegungstherapie und die Kontroverse, welche die ersten onkologischen Rehasportgruppen umgab mit den aktuellen wissenschaftlichen Ergebnissen zu ihrer Wirksamkeit zu verknüpfen. Den Abschluss der Fortbildungssitzung übernahm Frau Dr. Anika Behling-Ernst die auf das die Umsetzung von Bewegung in der Survivorship Phase einging. 

Abseits der Hauptvorträge, waren auch im Rahmen der Abstract und Posterpräsentationen etliche Bewegungsbezogenen Forschungsthemen eingereicht worden. Die Bewegungsbeiträge wurden allesamt unter dem Übergeordneten Thema „Supportive Care and Cancer“ vorgestellt. Von den insgesamt fünf Postersessions im Themenbereich „Supportive Care and Cancer“, hatten schätzungsweise 2/3 der Poster einen direkten Bewegungsbezug und reichten von der Pädiatrischen Onkologie über Querschnittserhebungen bis zu Verlaufsdokumentationen und der Konzeption bewegungstehrapeutischer Konzepte für onkologische Sondergruppen. Abseits der primären onkologischen Therapien, stellt Bewegung also durchaus ein präsentes und aktiv Erforschtes Thema dar. 

Insgesamt hatte der DKK gezeigt, dass im Thema Bewegung nicht nur viel Potential steckt sondern auch aktiv dazu geforscht wird, es jedoch weiterhin nur ein Randthema ist, dem trotz überwältigender Wirknachweise leider nicht die gebührende Präsenz geboten wird und dadurch zu vielen onkologisch Betroffenen verwehrt bleibt.

Kontakt: maximilian.koeppel@outlook.de