2024 | 01 Vielfalt der Ansätze
Wissenschaft
Entwicklung eines sensorbasierten Messsystems zur Durchführung des Square Hop Tests: eine Machbarkeitsstudie – Jonas Bender, David Wenger, Melvin Mohokum, Andreas Gollwitzer
Einfluss der Covid-19-Pandemie auf die sportmotorische Leistungsfähigkeit und den BMI von Grundschulkindern der 2. Klasse – Identifikation des Einflusses von sozioökonomisch ungleichen Schulstandorten – Daria Sophia Schoser, Felix Schumacher, Ingo Froböse, Christiane Wilke
Innovative Prozesskette zur Sicherung der Erwerbsfähigkeit nach endoprothetischem Gelenkersatz – Konzeption und Evaluation des ProSEeG Modellprojektes – Madeleine Gernert, Lea A. L. Dejonghe, Marc Schöttler, Andrea Schaller
Praxis
Alpine Skiing with Childhood Cancer Survivors: Concept and Benefits – Nico Kurpiers
Erfahrungsbericht zu einer Skiwanderung mit onkologischen Patient*innen – Jean-Luc Paratte
Editorial
Liebe Leserinnen und Leser,
vor vielen Jahren arbeitete ich als Sporttherapeut in einer großen psychiatrischen Klinik. Auf der wöchentlichen Therapiebesprechung in der Station für chronische Langzeitpatienten dominierte eine ältere Stationsschwester die Diskussion über die zu wählenden Behandlungsoptionen. Dabei berief sie sich auf die langjährige Erfahrung, die sie mit der Psychiatrie im Allgemeinen und den Patienten auf ihrer Station im Speziellen hatte. Niemand wagte substanziellen Widerspruch und sicher haben etliche Menschen von ihren erfahrungsbasierten Vorschlägen profitiert.
Inzwischen sind viele Jahre vergangen und an die Seite der subjektiven individuellen Erfahrungen ist die wissenschaftliche Evidenz als das zentrale Kriterium für Therapieentscheidungen getreten. Dies ist fast vergleichbar mit dem Wechsel des „Aggregatzustandes“ für eine therapeutische Disziplin und gilt besonders für die Bewegungstherapie. Dies bezieht sich nicht nur auf die Psychiatrie und die Psychosomatik, sondern auf ein breites Spektrum von weiteren Indikationsgebieten.
Vor diesem Hintergrund waren wir etwas überrascht, als die Kolleginnen und Kollegen des Schweizer Verbandes stolz vermeldeten:
„Sport und Bewegung in der Rehabilitation sowie in der Gesundheitsförderung und -prävention sind gefragter denn je. Auch das EMR trägt dem Rechnung und hat deshalb die Sport- und Bewegungstherapie mit der Methodennummer 175 auf die neue Methodenliste für 2024 aufgenommen.“ (https://com.emr.ch/newsletter/randc.las?a=13283). EMR ist die Abkürzung für das „ErfahrungsMedizinische Register“.
Wir gratulieren natürlich zu diesem weiteren Schritt zur Etablierung der Sport –und Bewegungstherapie. Allerdings müssen wir der inhaltlichen Einordnung als „Erfahrungsmedizin“ deutlich widersprechen.
Der Duden definiert „Erfahrung“ als „bei praktischer Arbeit oder durch Wiederholen einer Sache gewonnene Kenntnis“. Niemand bestreitet den Wert von Erfahrungen in unserem täglichen Leben und nicht zuletzt sind es auch die durch die Sport-/Bewegungstherapie vermittelten Erfahrungen, die das therapeutische Potenzial unserer Arbeit ausmachen.
Aber eindeutig, Sport-/Bewegungstherapie beruht nicht (nur) auf Erfahrung, sondern ruht auf einem extrem soliden Unterbau an wissenschaftlicher Evidenz. Dieser wird jeden Tag größer und selbst jetzt, im beruflichen Abklingbecken, schaffe ich es nur einen kleinen Teil der relevanten Studien auch nur zu registrieren, geschweige denn komplett zu lesen.
Als ein kleines Beispiel für diese extrem produktive und für uns positive Entwicklung möchte ich Sie auf die zahlreichen Studien aufmerksam machen, die innerhalb des gigantischen Projektes der britischen Biobank Initiative ermöglicht wurden (https://www.ukbiobank.ac.uk/learn-more-about-uk-biobank). Fast alle Arbeiten zur Physical Activity bestätigen und stimulieren uns in unserer Arbeit. Vielleicht finden sie etwas Zeit dafür, natürlich erst, wenn sie die Lektüre dieser sehr vielfältigen Ausgabe beendet haben.
Wir sollten angesichts dieser weltweiten soliden Evidenz, die zahlreiche Indikationen, gesundheitliche Problemstellungen und bewegungsbezogene Interventionen integriert, viel mehr Selbstbewusstsein innerhalb des Systems der Gesundheitsversorgung entwickeln.
Seit fast 40 Jahren tragen wir mit dieser Zeitschrift dazu bei, relevante Ergebnisse zu kommunizieren und bei der Translation in die praktische Anwendung zu helfen. Wir werden dies auch zukünftig tun.
Mit den besten Wünschen
Gerhard Huber