Bewegung bei Parkinson
Bei Morbus Parkinson sind die dopaminsensitiven Neuronen in den Basalganglien gestört. Die Basalganglien haben die Aufgabe, die Feinabstimmung eines im Motorkortex angelegten motorischen Befehls vorzunehmen, der von dort aus dann an das Rückenmark gesendet wird. Vom Rückenmark gelangt der motorische Befehl über die Alphamotoneuronen schließlich zur Skelettmuskulatur. Dieser Prozess ist bei Parkinson Patienten gestört, wobei insbesondere automatisierte Bewegungen nicht mehr zuverlässig funktionieren (z. B. Gehen).
Spannend ist, dass Bewegungen, die einen äußeren Cue nutzen, also durch verbale oder optische Reize unterstützt werden, trotzdem stabil umgesetzt werden können. Das ist im Prinzip dieselbe Vereinfachungsstrategie, wie sie beim Neulernen einer Fertigkeit eingesetzt wird- Stichwort „Invariantenunterstützung“. Hierbei werden die geschädigten Regionen der Basalganglien ausgespart, wodurch die Patienten plötzlich wieder relativ normale Bewegungsmuster zeigen. Die Patienten machen quasi genau das Gegenteil von dem, was wir ansonsten in der Reha machen, nämlich automatisieren und überlegen von Fertigkeiten und das offenbar mit beachtlichem Erfolg.
Hierzu ein Video aus dem medizinisch renommierten JAMA Netzwerk: https://www.youtube.com/watch?v=bmi1hYOnTHs
Hier der zum Video gehörige Artikel (JAMA) und ein Artikel, in welchem die Mechanismen erklärt werden (Lancet Neurology):
Nonnekes, J. et al. (2019). Compensation strategies for gait impairments in parkinson disease. A review. JAMA Neurology, 76, 718-725.
Petzinger et al. (2013). Exercise-enhanced neuroplasticity targeting motor and cognitive circuitry in Parkinson’s disease. Lancet Neurol, 12, 716-726.
Die Autorengruppe, die den Originalartikel von 2018 verantworteten, haben zudem in einer groß angelegten Studie von fast 5000 Menschen mit Parkinson nach dem Einsatz von Kompensationsstrategien erfragt.
Seitens der Kompensationsstrategien können dabei 7 Kategorien unterschieden werden:
Von den Befragten hatten etwa 17 % noch nie von entsprechenden Kompensationsstrategien gehört, am anderen Ende der Verteilung gaben lediglich 3,5 % an, mit allen 7 Strategien vertraut zu sein. Der Median liegt bei 3 bzw. 4 Kompensationsstrategien (in der Untersuchung wurden 2 verschiedene Kohorten betrachtet, daher kommen zwei Mediane heraus). Hinsichtlich der Anwendung der Kompensationsstrategien gaben 23 % an, noch nie eine der Strategien angewendet zu haben und weniger als 1 % hatten bereits Erfahrungen mit allen Strategien. Die Daten zeigen weiter, dass die Strategien nicht für jeden Betroffenen gleichermaßen wirksam. Waren es für die externalen Cues 62 % der Patienten, die einen Positiven nutzen berichteten, gaben 76% der Befragten an, davon zu profitieren, die Gleichgewichtsanforderungen zu verändern. Lediglich einer von drei Patienten gab an, von einem Therapeuten auf die Kompensationsstrategien angesprochen worden zu sein.
Der Einsatz derartiger Kompensationsstrategien wird von der Mehrheit der Patienten als Positiv angesehen. Allerdings werden von einem aus vier Patienten keine der Strategien aktiv eingesetzt, etwa 17 % waren die Strategien noch nicht einmal bekannt. Darüber hinaus wirken die Strategien nicht bei allen Patienten gleichermaßen, sondern müssen an den Patienten angepasst werden. Ebenso ist eine bessere Schulung der Patienten in der Vermittlung derartiger Strategien notwendig, um Patienten mit diesen wertvollen Werkzeugen vertraut zu machen.
Quelle: Tosserams, Anouk, Lisanne Wit, Ingrid HWM Sturkenboom, Maarten J. Nijkrake, Bastiaan R. Bloem, and Jorik Nonnekes. „Perception and use of compensation strategies for gait impairment by persons with Parkinson disease.“ Neurology 97, no. 14 (2021): e1404-e1412.
Korrespondenzadresse:
Maximilian Köppel
Deutscher Verband für Gesundheitssport und Sporttherapie (DVGS e.V.)
Institut für Sport und Sportwissenschaft Heidelberg
Abteilung: Prävention und Rehabilitation (Prof. Dr. Gerhard Huber)
Im Neuenheimer Feld 700
69120 Heidelberg
E-Mail: maximilian.koeppel@outlook.de