Prähabilitation
Hintergrund
Krebserkrankungen stellen die zweithäufigste Todesursache in der westlichen Welt dar. Dennoch hat sich, dank verbesserter Therapien, die Mortalität vieler Entitäten trotz steigender Inzidenzraten kaum verändert [1]. Doch nicht nur die unmittelbare Wirksamkeit der drei tragenden Säulen der Krebstherapie – Chirurgie, Chemotherapie und Strahlentherapie – hat sich erhöht, sondern auch ihre Verträglichkeit [2], was schließlich in einer höheren Adhärenz mündet. Die Erweiterung des therapeutischen Spektrums ist ein weiter Faktor, welcher die Effizienz der Krebstherapie begründet. Bei vielen Krebserkrankungen stellt die operative Entfernung des Primärtumors, ungeachtet ob vor oder nach einer weiteren Therapieform, die zentrale Therapiemaßnahme dar. Doch genau wie eine Chemotherapie, sind auch operative Eingriffe mit Nebenwirkungen assoziiert. Das Ausmaß dieser hängt dabei von der Schwere des Eingriffes sowie der betroffenen Körperregionen ab. Für Resektionen, wie sie im Falle gastrointestinaler Tumorerkrankungen notwendig sind, wird eine Komplikationsinzidenz von über 30% berichtet, welche mit längeren Krankenhausaufenthalten, verzögerter oder gar verringerter Genesungswahrscheinlichkeit einhergeht [3, 4, 5, 6, 7]. Ebenso kann sich auch der Einsatz einer adjuvanten, also auf die Operation folgenden Therapie durch die Komplikationen verzögern und stellt damit ein Risiko für die Krebstherapie selbst dar [8].
Gerade bei großen Operationen sind Komplikationen auch mit einer Erhöhung des Versterberisikos verbunden [9].
Im Gegensatz zur Gastrointestinalchirurgie sind die Folgen einer Brustkrebsoperation, insbesondere durch den Siegeszug brusterhaltender Operationstechniken, deutlich weniger drastisch. Dennoch berichten 20 bis 50% aller Frauen, die sich einer Brustoperation unterzogen, von einer Chronifizierung des post-operativen Schmerzes [10, 11, 12], welche auch nach 9 Jahren noch berichtet wird [13]. In einem vermutlich reziproken Verhältnis zu den Schmerzen steht auch die funktionelle Einschränkung des Schultergelenks. So geben etwa 1/3 der Patientinnen 3 Jahre post-op an, unter verminderter Schulterbeweglichkeit zu leiden. Etwa die Hälfte der Frauen nach Brustkrebsoperation geben an, Einschränkungen in ihren Alltagsaktivitäten zu verspüren. Diese sind in den meisten Fällen allerdings nur von geringem Ausmaß und lediglich im einstelligen Prozentsatz als schwerwiegend einzustufen [14, 15].
Fitness, Training und Operationsergebnis
Aus Beobachtungs- und Querschnittsstudien ist bekannt, dass Patienten die mit einer höheren Fitness in eine Operation gehen, mit weniger post-operativen Symptomen zu kämpfen haben, weniger Komplikationen aufweisen und kürzere Krankenhausaufenthalte aufzeigen. Beispielsweise identifizierten Snowden und Kollegen in einem Kollektiv von Personen mit einem mittleren Alter von 66 Jahren die anaerobe Schwelle der Patienten als wichtigsten Prädiktor der postoperativen Versterbewahrscheinlichkeit [16]. Die Ausdauerleistungsfähigkeit eliminierte sogar den Einfluss des Alters, wonach Patienten höheren Alters genau so viele Krankenhaustage und Zeit auf der Intensivstation verbrachten, wie jüngere Patienten mit vergleichbarer kardiorespiratorischer Fitness. Aber auch der Muskelmasse kann eine bedeutende Rolle in der Vorhersage von postoperativen Komplikationen nachgesagt werden [17]. Dies sind bereits gute Indikatoren dafür, eine strukturierte Bewegungsintervention zur Verbesserung der konditionellen Fähigkeiten einer Operation voranzustellen. Inwiefern derartige prähabilitative Bewegungsprogramme effektiv sind, dazu liegt bereits eine vielversprechende, verschiedene Operationen übergreifende, Datenlage vor. In einer systematischen Übersichtsarbeit mit insgesamt 435 Patienten die sich verschiedenen intraabdominalen Operationen unterzogen hatten (colorektal-, abdominal, oberer GI-Trakt, bariatirische OP und Hepaktomie), konnte eine signifikante Reduktion der postoperativen Komplikationen in den Bewegungsgruppen beobachtet werden [18]. In einem RCT mit 125 hoch-Risiko Patienten (Amercian Society of Anesthesiologists score III/IV) die sich einer größeren abdominalen Operation unterzogen, zeigte sich eine Risikoreduktion von postoperativen Komplikationen von 50% durch ein bewegungstehrapeutisches Programm, verglichen mit der standard-care Kontrollgruppe [19]. Besonders effektiv scheint Bewegung in der Reduktion von Komplikationen zu wirken, bei welchen das pulmonale System betroffen ist. Beispielsweise konnten Hulzebos et al. in einem randomisiert-kontrollierten Studie mit insgesamt 276 Patienten eine Risikoreduktion von 60% beobachten (KI= 0.19, 0.86) und verkürzter Krankenhausaufenthalt [20]. Hier führten die Patienten allerdings lediglich ein Training der Atemmuskulatur durch. Konsistent konnte in Studien zur Operation von Patienten, die unter gastrointestinalen Tumoren leiden, eine Verkürzung der Hospitalisieren beobachtet werden [21, 22, 23, 24, 25]. Selbes gilt auch für Patienten die sich einer Bypass Operation der Koronararterien unterzogen [26, 27]. Hierbei scheinen die kardiorespiratorsiche Fitness ebenso wie die Muskelkraft wichtige und altersunabhängiger Faktoren darzustellen [16, 28, 29] Trotz der lediglich kurzen Interventionsdauer konnten auch statistisch signifikante Verbesserungen der konditionellen Leistungsfähigkeit beobachtet werden (25-GI) [30]. Eine detailierte Darstellung der Studien findet sich in der angehängten Tabelle 1.
Wirkmodell
Der Wirksamkeit von prähabilitiven Trainings liegt die Modellvorstellung, wie in Abb.1. dargestellt, zu Grunde, dass die Steigerung der Gesundheitsressourcen, wie der Fitness, vor einer Operation mit einem besseren unmittelbaren postoperativen Zustand einhergeht, von welchem aus die Rehabilitation, in diesem Sinne die Rückkehr zum Status vor der präoperativen Intervention, kürzer ausfällt. Durch die mannigfaltigen positiven Wirkungen, welche mit einer verbesserten Fitness einhergehen, stellt Bewegung ein wunderbares Instrument für den prähabilitativen Einsatz dar. Insbesondere da auch davon ausgegangen werden kann, dass weitere relevante Parameter, welche mit dem Erfolg einer Operation assoziiert sind, wie beispielsweise die Wundheilung [31, 32, 33], deutlich von einer Bewegungsintervention profitieren. Zentral ist hierbei die antiiflamatorische und immunologische Wirkung von Bewegung [34, 35].
Abbildung 1. Prehabilitation model (Modifiziert nach Carli et al., 2017)36
Abbildung 1. Prehabilitation model (Modifiziert nach Carli et al., 2017) [36]
Fazit für Praxis und Forschung
Es ist wichtig, nicht nur die Wirksamkeit von Bewegung im Generellen auf die postoperativen Outcomes zu untersuchen, sondern bereits im Entwurf der Studien Trainingsinterventionen so zu planen, dass sie die gewünschten Outcomes bestmöglich adressieren. Hier geht es z. B. darum ein spezifisches Ziel zu verfolgen, wie es beispielsweise eine zielgerichtete Kräftigung der lokalen, gelenkstabilisierenden Muskulatur vor einem orthopädischen Eingriff unter Gesichtspunkten der schnellstmöglichen neuromuskulären Kraftsteigerung tut oder wie es durch eine Verbesserung der präoperativen Beweglichkeit durch exzentrische Muskelarbeit geschieht. Den kurzen Interventionszeitraum berücksichtigend, müssen prähabilitative Intervention besonders effizient sein. Dies muss bereits in der Therapieplanung berücksichtigt werden, weswegen hier die in der Literatur stiefmütterlich behandelte Evidenzbasierung der konkreten Interventionen besondere Bedeutung geschenkt werden muss [37], wie in Abb.2 als Entscheidungsbaum dargestellt.
Abbildung 2. Entscheidungsbaum – Evidenzbasierte Bewegungsprogramme
Abbildung 2. Entscheidungsbaum – Evidenzbasierte Bewegungsprogramme
Tab.1. Tabelle 1 Summary of Studies
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