Herzgesundheit – Werden Teilnehmer der kardiologischen Rehabilitation dauerhaft körperlich aktiv? – Teil 1
Kardiologische Rehabilitation und Bewegung
Wenn wir an die Gesundheit der Bevölkerung und an Bewegung denken, so kommt uns oft in den Sinn, dass Bewegung immer wichtiger wird, weil bestimmte chronische Erkrankungen zunehmend häufiger werden. Man denke hierbei z. B. an Diabetes Typ 2 oder Hüft- und Kniearthrose.
Bei koronarer Herzkrankheit und Herzinfarkt hingegen gibt es im Wesentlichen keinen Anstieg und die Sterblichkeitsraten von Krankheiten des Kreislaufsystems sind zuletzt in Deutschland rapide gesunken [1]. Diese erfreuliche Entwicklung unterstreicht wiederum massiv die Bedeutung der kardiologischen Rehabilitation (KR), z. B. in der Versorgung von Überlebenden kardialer Notfälle [2].
Die Zielgruppen der KR sind vielfältig. Es fallen Personen nach akutem Koronarsyndrom darunter, wie auch Personen nach dekompensierter Herzinsuffizienz oder mit klinisch stabiler koronarer Herzkrankheit [3].
Körperliche Aktivität und körperliches Training spielen in der KR eine entscheidende Rolle (u.a. [4]). Langfristige Bindung an einen körperlich aktiven Lebensstil ist ein sehr zentrales Ziel.
Nachhaltige Bindung an körperliche Aktivität?
Ende der 90er Jahre hatten Joliffe und Taylor [5] in einer Übersichtsarbeit zur langfristigen Bindung an körperliche Aktivität durch die KR aber ein pessimistisches Fazit gezogen. Sie fanden wenig Nachweise für eine mittel- bzw. langfristige Steigerung der körperlichen Aktivität, 3-12 Monate nach der Reha.
16 Jahre sind seit Erscheinen dieser Studie vergangen. Ein niederländisches Forschungsteam ist dem Thema zuletzt erneut auf den Grund gegangen, mit einer umfassenden Literaturrecherche. Vor dem Hintergrund einer veränderten Gesundheitslandschaft, neuerer Interventionsmethoden und dem Wandel von reinem körperlichem Training, hin zu umfassenderen Lebensstil-Schulungen in der KR, sahen die Forscher den Bedarf einer neuen Übersichtsarbeit [6].
Die Autoren definierten KR als ein strukturiertes Programm körperlichen Trainings, kombiniert mit psychosozialen/edukativen Interventionsformen, welches in einem stationären oder vornehmlich ambulanten Setting durchgeführt wurde. Reines körperliches Training wurde dabei ausgeschlossen, weil es gemäß der Autoren nicht mehr als Standard Rehabilitation angesehen werden kann [6].
In die Übersichtsarbeit wurden nur Untersuchungen eingeschlossen bei denen Teilnehmer zufällig auf die Gruppen aufgeteilt wurden, so genannte randomisiert-kontrollierte Studien.
Die Untersuchungen im stationären Setting unterschieden sich darin, dass es Rehabilitationen mit kurzer (1-3 Monate), mittlerer (4-11 Monate) und langer Dauer (≥12 Monate) gab. Deren Wirkungen wurden in kurz- (<6 Monate nach Reha-Ende) und langfristig (≥6 Monate) eingeteilt.
Die folgenden Ergebnisse beziehen sich immer auf den Vergleich der KR mit einer Kontrollgruppe, die lediglich Routine Checks bekommen hat, und/oder mündliche bzw. schriftliche Informationen zur Herzgesundheit.
Zur Reha mit kurzer Dauer wurde in einer Studie mit vergleichsweise geringer Qualität eine positive kurzfristige Wirkung auf die täglich zurückgelegte Gehstrecke festgestellt. In einer der beiden aktuellsten Studien der gesamten Übersicht, die als qualitativ sehr hochwertig eingestuft wird, ebenfalls zu einer Reha mit kurzer Dauer, waren hingegen nach einem Jahr die Teilnehmer der Kontrollgruppe aktiver als die Teilnehmer an der kardiologischen Reha [7]. Die Kontrollgruppe hatte in diesem Fall lediglich Beratung, Informationen und medizinische Checks erhalten.
Bei einer Reha mit mittlerer Dauer (8 Monate), zeigte sich 4 Monate nach deren Abschluss keine Wirkung auf die körperliche Aktivität im Vergleich zu einer Standard-Behandlung. Langfristige Effekte deckte eine andere Untersuchung zwar 6 Monate nach der Reha auf, allerdings wurde nach 4,5 Jahren nochmals gemessen. Die Verbesserungen konnten nicht aufrechterhalten werden.
Zur Reha mit langer Dauer gab es nur bzgl. Der kurzfristigen Wirksamkeit randomisiert-kontrollierte Studien. Diese kamen zu unterschiedlichen Ergebnissen. Während 2 Studien zu 2-jährigen Rehas Effekte nach Reha-Ende feststellten, zeigte eine dritte Studie zu einer 1-jährigen Reha keinen Erfolg.
Vornehmlich ambulante Rehabilitation wurde nur in 2 Studien (Reha-Dauer jeweils: 1 Jahr) untersucht. Auf den ersten Anblick sieht das gut aus, konnten doch beide Male Wirkungen direkt nach der Reha festgestellt werden. Die hochwertigere von beiden Untersuchungen evaluierte nach 4 Jahren allerdings nochmal und konnte dann keinen Effekt mehr finden.
Insgesamt fällt das Ergebnis der Übersicht sehr enttäuschend aus. Oft finden sich keine besseren Wirkungen der KR auf die körperliche Aktivität als durch minimale Beratung oder Routine Checks. Wenn sich mal was verändert, und nach einigen Jahren nochmals gemessen wird, so scheinen die Effekte verflogen.
Motivation und Verhaltensbezug
Unabhängig von einer KR erscheint die langfristige Bindung an körperliche Aktivität für Herzpatienten schwierig: 248 Patienten (Herzinfarkt, Bypass Operation und/oder Gefäßerweiterung/-wiedereröffnung) wurde in der Studie von Dolansky und Kollegen [8] empfohlen, 3-mal wöchentlich nach ihrer Zielherzfrequenz ausgerichtet körperlich aktiv zu sein. Lediglich 37% Prozent hielten sich nach einem Jahr an diese Empfehlung. Nach einem solch einschneidenden Ereignis wie einem Infarkt oder einer Herzoperation möchte man meinen, es bestünde genügend „Motivation“, dass die Betroffenen Ihren Lebensstil änderten. Wenn selbst das nicht ausreicht, hat dann die Bewegungstherapie überhaupt eine Chance?
Das niederländische Forschungsteam ist optimistisch und empfiehlt am Ende der Übersichtsarbeit die Nutzung von „verhaltensbezogenen Techniken“ zur Steigerung der körperlichen Aktivität. Was aber ist damit genau gemeint? Und helfen diese wirklich weiter? Mehr dazu im baldigen Teil 2 dieser Serie.
Literatur
- Gößwald, A., Schienkiewitz, A., Nowossadeck, E. & Busch, M.A. (2013). Prävalenz von Herzinfarkt und koronarer Herzkrankheit bei Erwachsenen im Alter von 40 bis 79 Jahren in Deutschland. Ergebnisse der Studie zur Gesundheit Erwachsener in Deutschland (DEGS1). Bundegesundheitsbl, 56, 650-655.
- Piepoli, M.F., Corrà, U., Benzer, W., Bjarnason-Wehrens, B. et al. (2010). Secondary prevention through cardiac rehabilitation: from knowledge to implementation. A position paper from the Cardiac Rehabilitation Section of the European Association of Cardiovascular Prevention and Rehabilitation. Eur J Cardiovasc Prev Rehabil, 17, 1-17.
- Korsukéwitz, C., Rohwetter, M. & Rauch, B. (2007). Voraussetzungen und Indikationen zur Durchführung einer kardiologischen Rehabilitation. In B. Rauch, M. Middeke, G. Bönner, M. Karoff, K. Held (Hrsg.), Kardiologische Rehabilitation (S. 11-13), Stuttgart: Thieme.
- Achttien, R.J., Staal, J.B., van der Voort, S. et al. (2013). Exercise-based cardiac rehabilitation in patients with coronary heart disease: a practice guideline. Neth Heart J, 21, 429-438.
- Joliffe, J. & Taylor, R. (1998). Physical activity and cardiac rehabilitation: a critical review of the literature. Coronary Health Care, 2, 179-186.
- ter Hoeve, N., Huisstede, B.M.A., Stam, H.J., van Domburg, R.T., Sunamura, M. & van den Berg-Emons, R.J.G. (2014). Does cardiac rehabilitation after an acute cardiac syndrome lead to changes in physical activity habits? A systematic review. Physical Therapy, published online October 2, 2014. doi: 10.2522/ptj.20130509
- West, R.R., Jones, D.A., Henderson, A.H. (2012). Rehabilitation after myocardial infarction trial (RAMIT): multi-centre randomized controlled trial of comprehensive cardiac rehabilitation in patients following acute myocardial infarction. Heart, 98, 637-644.
- Dolansky, M.A., Stepanczuk, B., Charvat, J.M. & Moore, S.M. (2010). Women’s and men’s exercise adherence after a cardiac event: Does age make a difference? Res Gerontol Nurs, 3(1), 30-38.