Blogreihe: Vier Axiome der Bewegungsförderung und Bewegungstherapie – Axiom 3
Zur Notwendigkeit der Bewegungsförderung
Es bedarf der gezielten Interventionen, um die schwierige Aufgabe zu bewältigen: Menschen in Bewegung zu bringen!
Der natürliche Bewegungsdrang der Kinder wird im Kindergarten und in der Schule relativ schnell domestiziert und in für den Unterricht und die Gesellschaft verträgliche Bahnen gelenkt. Zusammen mit dem technologischen Fortschritt, der die Menschen in den Industrieländern vom Zwang zur körperlichen Aktivität in der Lebensführung in fast allen Lebensphasen und Lebensbereichen befreit hat, bildet sich eine Gemengelage, aus der zusammen mit dem oben skizzierten „Faulheitsgen“, die Notwendigkeit erwächst, ganz gezielt und mit viel Aufwand die körperliche Aktivität der Menschen zu erhöhen.
Nur durch Bewegungsförderung kann es gelingen, die durch den medizinischen Fortschritt und bessere Lebensbedingungen gewonnene längere Lebenszeit mit möglichst hoher Lebensqualität zu füllen.
Bewegungsförderung bedeutet die Förderung der körperlichen Aktivität mit dem Ziel des Erhalts und der Verbesserung der Gesundheit und Lebensqualität durch gezielte Interventionen und/oder infrastrukturelle Maßnahmen. Sie kann sich auf einzelne Menschen oder Bevölkerungsgruppen beziehen und in jeder Altersgruppe oder Lebensphase durchgeführt werden.
Damit grenzt sich Bewegungsförderung auch von den sonstigen Zielsetzungen des Sporttreibens ab, insbesondere dem inhärenten Wettkampfgedanken oder expressiven Motiven der Selbstverwirklichung. Sehr oft werden im gesundheitlichen Kontext Bewegungsprogramme insbesondere in der medizinischen Kommunikation in Ausdauer- oder Kraftprogramme unterschieden. Abgesehen davon, dass diese Unterscheidung nicht unbedingt logisch ist, da es keine Ausdauer ohne Kraft gibt und keine Kraft ohne Ausdauer, eignet sich diese Differenzierung wenig zur Abschätzung von Zielen und Inhalten.
An anderer Stelle wurde eine einfache, trotzdem praktikable heuristische Differenzierung von Bewegungsinterventionen bereits vorgestellt [1]. Das übergeordnete Kriterium bilden die gesundheitsbezogenen Zielsetzungen. Dabei entspricht die erste Spalte den Forderungen der nationalen und internationalen Leitlinien zur Bewegungsförderung, womit körperliche Aktivität als Teil der Lebensführung zu betrachten ist. Die zweite Spalte erweitert die Zielsetzung um die physiologische und morphologische Anpassung durch körperliche Aktivität durch zielgerichtetes Training. Dies erfordert Struktur und Planung und Supervision. Die dritte Spalte entspricht dann der gezielten therapeutischen Intervention, die auf einer Diagnose beruht und definierte Therapieziele hat.
Körperliche Aktivität | Training | Sport-/Bewegungstherapie |
Bewegung durch muskuläre Aktivität Verbraucht Energie mit hoher Varianz Korreliert positiv mit der körperlichen FitnessVerbessert die Energiebilanz | Bewegung durch muskuläre Aktivität Verbraucht Energie mit hoher Varianz Korreliert positiv mit der körperlichen FitnessVerbessert die Energiebilanz | Bewegung durch muskuläre AktivitätVerbraucht Energie mit hoher Varianz Korreliert positiv mit der körperlichen FitnessVerbessert die Energiebilanz |
Verbessert Lebensqualität und und Funktion, reduziert Morbidität und Mortalität | Bewirkt gezielte strukturelle und morphologische AnpassungVerbessert Lebensqualität und und Funktion, reduziert Morbidität und Mortalität | Bewirkt strukturelle und morphologische AnpassungVerbessert Lebensqualität und Funktion, reduziert Morbidität und MortalitätHat spezifischen und positiven Einfluss auf die Erkrankung |
Gesundheitliche Wirkung beruht auf Art und Umfang der körperlichen Aktivität Notwendiger Teil der Lebensführung als systemrelevantes Verhalten „Ziel der Prävention §20 SGB V“ | Gesundheitliche Wirkung beruht zusätzlich auf folgenden MerkmalenPlanungStruktur WiederholungFITT (Frequenz, Intensität, Time & Type) Erfordert in der Regel Supervision durch Fachkraft | Erfordert in der Regel die Integration in ein gesamttherapeutisches Konzept Wirkung beruht auf spezifische Kenntnis und Anwendung: der Ätiologie, Pathologie und Therapie des Krankheitsbildes der personbezogenen Faktoren der motivationalen, reflektiven und regulatorischen Faktoren Erfordert immer qualifizierte Supervision durch besonders qualifizierte Fachkraft |
Tab. 1. Zielbereiche der Bewegungsförderung
Literatur:
[1] Huber, G. (2022). Bewegungstherapie 2.0. B&G Bewegungstherapie und Gesundheitssport, 38(06), 247-253.