Energiebilanz und Normalgewicht durch Betriebliche Gesundheitsförderung
Der Arbeitsplatz spielt bei der Entstehung von Übergewicht und Adipositas eine große Rolle. Alle Studien beweisen, was sie aus ihrer Alltagserfahrung schon lange wissen. Die körperliche Beanspruchung während der Arbeit hat in den vergangenen 50 Jahren dramatisch abgenommen, gleichzeitig stieg die Rate an Menschen mit Übergewicht (Church et al. 2012). Dieser Zusammenhang ist alles andere als zufällig. Das Körpergewicht steigt immer dann, wenn ich weniger verbrauche, als ich zu mir nehme. Umgekehrt verliere ich an Gewicht, wenn ich mehr verbrauche, als ich durch die Nahrung aufnehme. Im Gegensatz zu vielen einseitigen Ernährungskonzepten ist die Basis der entscheidenden Energiebilanz sowohl die Energieaufnahme als auch der Energieverbrauch. Es ist deshalb nicht sinnvoll, das Gewicht nur einseitig durch Diäten zu kontrollieren, sondern den Energieverbrauch durch mehr Bewegung zu erhöhen. Dabei spielt der Arbeitsplatz, der Ort, an dem wir einen großen Teil unseres Lebens verbringen, eine große Rolle.
Energiebilanz ist die Basis
Die Energiebilanz ist der Schlüssel zum Normalgewicht. Es gibt zwar verschiedene hormonelle Prozesse, die diesen Ablauf altersabhängig verändern, aber im Prinzip basiert die Energiebilanz auf einem sehr einfachen Zusammenspiel:
- Energieaufnahme durch Nahrung: Makronährstoffe (Kohlenhydrate, Fette und Proteine) & Mikronährstoffe (Vitamine). Wichtig für die Energiebilanz die Fähigkeit des Körpers, Kohlenhydrate in Fett umzuwandeln.
- Energieverbrauch durch Bewegung: Grundumsatz (mind. 50% des Energieverbrauchs, abhängig von Alter, Geschlecht und Körperzusammensetzung) & Leistungsumsatz (variabler Anteil, abhängig von Muskelaktivität)
Je mehr und je länger die Muskulatur eingesetzt wird, desto größer ist der Energieverbrauch. Dies geschieht in der Regel zum Zweck der körperlichen Aktivität und selten zur Wärmeerzeugung durch Zittern. Durch häufige Nutzung, z. B. durch Training, erhöht sich die Muskelmasse. Daraus resultiert ein höherer Grundumsatz, da Muskulatur im Gegensatz zu Körperfett auch in Ruhe Energie verbraucht. Im Verlauf der Evolution hat die Energiebilanz erstaunlich gut funktioniert. In einem Jahr nehmen wir etwa 1 Million Kilokalorien zu uns und die gleiche Menge an Energie wird auch wieder verbraucht, respektive umgewandelt und als Bewegungsenergie oder Wärme abgegeben.
Kleine Änderungen am Arbeitsplatz haben große Wirkungen
Allerdings ist in den letzten 50 Jahren in vielen Ländern diese Energiebilanz nur minimal, aber nachhaltig in Schieflage geraten. So nehmen die Bundesbürger*innen ab dem 30. Lebensjahr im Durchschnitt pro Jahr ½ bis 1 Kilogramm Körpergewicht zu. Dafür reichen schon kleine Veränderungen z. B. am Arbeitsplatz aus, z. B. sorgt schon ein geringerer Energieverbrauch von zehn bis zwanzig Kilokalorien pro Tag für diese Gewichtszunahme. Dafür reichen schon einfache Veränderungen aus:
- Entweder haben wir uns weniger bewegt. Dafür genügt es, wenn ein Mann mit 75 kg Körpergewicht pro Tag eine Minute weniger Treppen steigt oder 3 Minuten weniger zu Fuß geht.
- Oder wir haben mehr gegessen. Dafür reichen schon 10 g Knäckebrot pro Tag aus.
- Oder beide Faktoren treffen zu.
Schon kleine Ursachen am Arbeitsplatz können sich auf das Gewicht auswirken:
- Längere Sitzzeiten
- Persönliche Kommunikation wird durch elektronische Medien ersetzt
- Ergonomische Arbeitsgestaltung
- Weniger Gehstrecke
- Aufzug statt Treppe
- Gestaltung des Arbeitsweges
Mit zunehmendem Alter wird dieses Ungleichgewicht noch verstärkt durch den Verlust an Muskelmasse, der den Grundumsatz zusätzlich reduziert. Es wird deutlich, dass sich nur wenige Phänomene des menschlichen Daseins so leicht erklären lassen wie die Ursache des Übergewichts und der Adipositas. Diese liegt immer darin, dass mehr Kalorien in Form von Nahrungsmitteln aufgenommen werden, als von der betreffenden Person verbraucht werden. Physiologische Forschung deutet darauf hin, dass unsere Spezies „Homo sapiens“ sich im Verlauf der Evolution besonders gut darauf eingestellt hat, als Jäger und Sammler viel Energie zu verbrauchen, aber auch viel Energie aufzunehmen. Umgekehrt gerät dieses System in Schieflage, wenn, wie häufig in unserer Zeit, die körperliche Aktivität gegen null geht (Hill et al. 2012).
Bessere Energie am Arbeitsplatz
Es ist wichtig, darauf hinzuweisen, dass die Energiebilanz simultan von der Ernährung und der körperlichen Aktivität gesteuert wird. Damit haben wir mehr Optionen als die weitverbreiteten Restriktionen durch Diäten. Ein paar einfache Regeln helfen auch, im Arbeitsalltag auf die Energiebilanz zu achten:
- Übergewicht entsteht dann, wenn Sie mehr Energie zu sich nehmen, als Sie verbrauchen.
- Bereits eine minimale Störung des Energieverbrauchs am Arbeitsplatz genügt, um langfristig an Gewicht zuzunehmen.
- Ihre Energieaufnahme können Sie auch am Arbeitsplatz verändern, indem Sie weniger oder anders essen. Um Kalorien, die Sie nicht aufnehmen, brauchen Sie sich nicht zu kümmern.
- Ihren Energieverbrauch können Sie erhöhen, wenn Sie sich auf dem Weg zur Arbeit, während der Arbeit oder in den Pausen mehr bewegen.
- Solche Veränderungen des Arbeitsalltags sind sinnvoller als wöchentlich einmalige Sportaktivitäten (einmal pro Woche ins Fitnessstudio, „Weekend Warrior“).
- Je häufiger und intensiver sie sich bewegen, desto größer der Energieverbrauch.
Der minimale Umfang der körperlichen Aktivität für eine positive Gesundheitswirkung ergibt sich aus den Nationalen Empfehlungen zur Bewegungsförderung (Pfeifer & Rütten 2017) und beträgt 150 Minuten moderate Bewegung. 15 Minuten Fußweg zur Arbeit reichen dafür schon aus, es darf aber gern auch etwas mehr sein. Selbst wenn Sie kein Gramm abnehmen, profitieren Sie von den positiven Gesundheitseffekten der gesteigerten Bewegung.
Literatur
• Church TS, Thomas DM, Tudor-Locke C, Katzmarzyk PT, Earnest CP, et al. (2011) Trends over 5 Decades in U.S. Occupation-Related Physical Activity and Their Associations
with Obesity. PLOS ONE 6(5): e19657. https://doi.org/10.1371/journal.pone.0019657http://journals.plos.org/plosone/article?id=10.1371/journal.pone.0019657
• Hill, J. O., Wyatt, H. R., & Peters, J. C. (2012). Energy balance and obesity. Circulation, 126(1), 126 -132.
• Huber, G. (2009). Normalgewicht-das Deltaprinzip. Deutscher Ärzteverlag.
• Pfeifer, K., & Rütten, A. (2017). Nationale Empfehlungen für Bewegung und Bewegungsförderung. Das Gesundheitswesen, 79(S 01), S2 -S3.