Gesundheit Aktuell

Interdisziplinärer Austausch zur Adipositas – Fokus auf Sporttherapie

Die Adipositasprävalenz (BMI > 30 kg/m²) ist in den letzten 50 Jahren weltweit dramatisch gestiegen. Laut Daten der Studie zur Gesundheit Erwachsener in Deutschland (DEGS) sind in Deutschland rund ein Fünftel der Erwachsenen adipös, während es in den USA bereits 40 % sind. Damit stellt die Adipositas, die mit über 60 Krankheitsbildern assoziiert ist, bereits heute eine massive gesundheitspolitische Herausforderung dar.

Angesichts der Tatsache, dass sich seit den 1990er-Jahren die Adipositasprävalenz im Kindes- und Jugendalter in Deutschland mindestens verdreifacht hat und ein adipöses Kind mit einer 50 % höheren Wahrscheinlichkeit als ein normalgewichtiges Kind auch im Erwachsenenalter adipös bleibt, lässt sich die zukünftige Entwicklung der Adipositasprävalenz nur pessimistisch betrachten.

Obwohl Adipositas keine primäre Reha-Indikation darstellt, ist sie durch ihre enge Assoziation mit zahlreichen chronischen Erkrankungen auch eine große Herausforderung für die Rehabilitation.

Die Deutsche Rentenversicherung Bund hat deshalb am 12. und 13. März 2025 zum zweiten mal den „Fachaustausch interdisziplinäre Rehabilitationskonzepte für Erwachsene mit Adipositas“ ausgerichtet. Hierzu konnten Referenten aus den Bereichen Medizin (Dr. Hilke Borchert, DRV-Hamburg), Ernährungswissenschaft (Christian Töllner, DRV-Nordbayern), Psychologie (Dr. Rudolf Schulte, DRV- Braunschweig-Hannover) und Sportwissenschaft (Maximilian Köppel, DVGS e.V.) unter der Moderation von Christine Reudelsterz (DRV-Bund) und Lukas Born (DRV-Bund) gewonnen werden.

Die eineinhalbtägige Veranstaltung begann mit einem Überblick über das Krankheitsbild, aktuelle Entwicklungen in der Therapie, einem Verweis auf die jüngst erschienene S3-Leitlinie Adipositas sowie auf die Statistiken der Deutschen Rentenversicherung. Diesem Überblick folgte jeweils ein Vortrag zu den Herausforderungen der Adipositas aus Sicht der Ernährungswissenschaft, Psychologie und Sporttherapie.

Aus sportwissenschaftlicher Sicht lag der Fokus auf dem Mangel an adäquater Bewegungssozialisation. Die Bewegungsbiografie vieler adipöser Menschen ist durch wenig positive Erfahrungen mit körperlicher Aktivität geprägt. Zudem bestehen häufig Missverständnisse:

  • Beispielsweise wird eine Person, die sich einmal die Woche, für eine Stunde im Fitnessstudio aufhält, den Eindruck haben, körperlich aktiv zu sein. Berechnet man allerdings den Kalorienverbrauch aus der tatsächlich mit Bewegung gefüllten Zeit, kommt man sehr schnell zu einem ernüchternden Ergebnis. Dementgegen steh die schlichte Erfüllung der WHO Empfehlungen zur körperlichen Aktivität von 150min pro Woche, die gerne in 3x10min pro Tag aufgeteilt werden können und damit bereits zu einem dreifachen so hohen Kalorienumsatz führen, wie in der einen Trainingseinheit im Fitnessstudio, ohne dass die Wahrnehmung vorliegt, „Sport“ zu machen.
  • Darüber hinaus wird das Krafttraining zu unsystematisch für die Förderung adipöser Menschen genutzt und dem Ausdauertraining nachgestellt. Dabei verfügen adipöse Menschen oft über eine gute Kraftfähigkeit, da sie täglich ihr Körpergewicht bewegen müssen, sie erhalten damit bereits ein initiales positives Erlebnis mit der Sporttherapie. Des Weiteren bietet Krafttraining in der Rehabilitation ein hohes Motivationspotenzial, da erste Erfolge schnell spürbar sind und damit im dreiwöchigen Rehabilitationsaufenthalt eine signifikante Kraftsteigerung erzielt werden, kann was sich letztlich auch positiv auf die Alltagsbewältigung auswirkt.

Neben den Fachvorträgen lag der Fokus der Tagung auf praxisnahen Lösungen für Reha-Kliniken. Besonders hervorgehoben wurde das Curriculum Adipositas der DRV.

Ein Problem bleibt jedoch: Von den 27 Teilnehmern kamen nur ein Sportwissenschaftler und eine Physiotherapeutin. Dabei trägt die Sport- und Bewegungstherapie die Hauptlast der rehabilitativen Maßnahmen. Gerade bei einem Thema wie Adipositas spielt sie eine zentrale Rolle und muss daher stärker in die Entwicklung und Implementierung von Reha-Konzepten eingebunden werden.