Jeder Schritt zählt – Sterblichkeit und objektiv erhobene Schrittzahl
Originalbeitrag: Saint-Maurice PF, Troiano RP, Bassett DR, et al. Association of Daily Step Count and Step Intensity With Mortality Among US Adults. Jama 2020;323:1151-1160 [1]
Die positive Wirkung von körperlicher Aktivität auf die vorzeitige Versterbewahrscheinlichkeit ist bereits intensiv untersucht. Die wissenschaftlichen Studien hierzu reichen bis in die 50er Jahre zurück [2]. In den meisten Fällen liegen den Rechnungen jedoch Aktivitätsdaten aus schriftlichen Befragungen der Probanden zu Grunde. Die Ableitung von verlässlichen Dosis-Wirkungsbeziehungen gestaltet sich daher etwas schwierig. Saint-Maurice und Kollegen [1] haben nun die Aktivitätsdaten von knapp 5.000 Personen der National Health and Nutrition Examination Survey (NHANES) Kohorte untersucht. Das besondere – die Aktivitätsdaten, d.h. die Schrittzahlen wurden objektiv anhand von Akzelerometern erfasst und in Zusammenhang mit Daten der Sterberegister gebracht. Das mittlere Alter der Kohorte lag zum Zeitpunkt der Baseline Erhebung bei 57 Jahren, der mittlere Follow-Up Zeitraum beträgt 10 Jahre.
Im Durchschnitt legten die Probanden 9000 Schritte pro Tag zurück. Wobei die Daten im mehrere Perzintile eingeteilt wurden, für welche jeweils die relative Versterbewahrscheinlichkeit innerhalb des Erhebungszeitraumes erhoben wurde. Insgesamt wurden 1165 Todesfälle innerhalb dieses Zeitraums registriert.
Pro 1.000 Personenjahre wurden im inaktivsten Quartil 77 Todesfälle beobachtet. Dieses Verhältnis sinkt in den nächsten beiden Quartilen (4.000 bis 7.999 bzw. 8.000 – 11.999 Schritte pro Tag) auf nur noch 21.4 bzw. 6.9 Todesfälle. Im aktivsten Quartil (>12.000 Schritte pro Tag) wurden lediglich 4.8 Todesfälle pro 1.000 Personenjahre beobachtet (Abb. 1). Im unadjustierten Modell entspricht dies einer Risikoreduktion von 90% seitens der aktivsten zur inaktivsten Gruppe. Im finalen statistischen Modell, d.h. nach herausrechnen des Einflusses anderer relevanter Gesundheitsfaktoren, zeigte sich eine Reduktion der vorzeitigen Versterbewahrscheinlichkeit von 65% in der aktivsten (>12.000 Schritte pro Tag) verglichen mit der inaktivsten Gruppe (<4.000 Schritte pro Tag). Durch die Adjustierung des Modells wird somit lediglich der isolierte Einfluss körperlicher Aktivität und potentieller unbeobachteter, aber wahrscheinlich unbedeutender Variablen betrachtet. Auch für das Versterben durch eine kardiovaskuläre Erkrankung und Krebs werden Risikoreduktionen von 50% bzw. 33% im aktivsten verglichen mit dem inaktivsten Quartil berichtet.
Die gefundenen Ergebnisse bestätigen andere, vergleichbare Untersuchungen, wie beispielsweise die kürzlich publizierten Daten von Lee und Kollegen [3], die die Schrittzahlen von 17.500 Teilnehmerinnen der Women Health Study mit einem mittleren Alter von 72 Jahren (SD= 5,7) in Zusammenhang mit der Versterbewahrscheinlichkeit brachten. Auch hier beobachteten die Autoren den mit oben deckungsgleichen asymptotischen J-förmigen Zusammenhang. So konnte auch hier ein rasanten Risikoabfall von über 60% zwischen <2.000 und 7.500 Schritten verzeichnet werden. Danach trifft die Kurve auf ein plateau bei einem verbleibenden Risiko von 35% verglichen mit der inaktivsten Gruppe (<2.000 Schritte pro Tag).
Kommentar zur Studie:
Diese Daten bestätigen die bereits bekannte, enorme Bedeutung von körperlicher Aktivität auf das Gesamtüberleben anhand einer großen, repräsentativen US-Stichprobe und objektiv erhobener Aktivitätsdaten. Auch bestätigt sich der aus anderen Untersuchungen bekannte asymptotische Verlauf des Aktivitäts-Mortalitäts-Zusammenhangs, wonach bereits eine kleine inkrementelle Veränderung des Aktivitätsniveaus von „kaum“ zu „ein wenig“ gewaltige Effekte mit sich bringt, die alle ferneren Steigerungen bei Weitem übertreffen. Die Daten zeigen außerdem, dass die generell empfohlenen 10.000 Schritte [4] zwar in den Optimalbereich (nahe des absoluten Minimums) fallen, allerdings nicht die höchste Effizienz (Knickpunkt der Kurve) zeigen, sondern diese eher bei 7.500-8.000 Schritten zu verorten ist. Welche Rolle anderen Beanspruchungsformen hierbei zukommt und ob diese einen additiven Mehrwert besitzen, bleibt in den genannten Studien unbeachtet. Es ist zu vermuten, dass additiv zur Aktivität ein regelmäßiges körperliches Training mit Kräftigungsanteilen einen additiven Mehrwert besitzt. So haben Ruiz et al. [5] einen starken Zusammenhang zwischen der Kraftfähigkeit und der Sterblichkeit beobachten können. Letzten Endes läuft es auf die selbe Idee hinaus, wie sie in der DVGS-Bewegungspyramide [6] Verwendung findet. Die Basis eines gesunden Lebensstils bildet ein aktiver Alltag (>7.500 Schritte pro Tag) welcher mit intensiveren Belastungen und Kräftigungsübungen gespickt werden soll.
Literatur
- Saint-Maurice PF, Troiano RP, Bassett DR, et al. Association of Daily Step Count and Step Intensity With Mortality Among US Adults. Jama 2020;323:1151-1160
- Morris JN, Heady J, Raffle P, Roberts C, Parks J. Coronary heart-disease and physical activity of work. The Lancet 1953;262:1111-1120
- Lee I-M, Shiroma EJ, Kamada M, et al. Association of step volume and intensity with all-cause mortality in older women. JAMA internal medicine 2019;179:1105-1112
- Rütten A, Pfeifer K. Nationale Empfehlungen für Bewegung und Bewegungsför-derung: Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung Köln; 2017
- Ruiz JR, Sui X, Lobelo F, et al. Association between muscular strength and mortal-ity in men: prospective cohort study. Bmj 2008;337:a439
- Huber G. Normalgewicht – das Deltaprinzip. Köln: Deutscher Ärzteverlag; 2009
Kontakt:
Maximilian Köppel, Deutscher Verband für Gesundheitssport und Sporttherapie e. V., maximilian.koeppel@outlook.de