Wirkung von Bewegung auf die Gefäßgesundheit
Der Vergleich des kardiovaskulären Morbiditäts- und Mortalitätsrisikos von Busfahrern und Schaffnern in London durch Morris in den späten 40ern und frühen 50ern wird von vielen als die Geburtsstunde der Bewegungsepidemiologie gesehen [1]. Während es sich hier noch um korrelative Ergebnisse handelte, die keinen Anspruch auf Kausalität besitzen, liegt inzwischen eine überzeugende Studienlage vor, welche diese Assoziation nicht nur bestätigen, sondern den Ursache-Wirkungs-Zusammenhang untermauern. Körperliches Training beeinflusst wichtige kardiovaskuläre Risikofaktoren positiv. Dazu gehören unter anderem der Blutdruck [2], die Insulinsensitivität [3], aber auch das Risiko für Diabetes Mellitus Typ 2 im Allgemeinen [4,5]. Dies schlägt sich dementsprechend auch in der Sterblichkeit nieder, so zeigen Menschen mit hohem körperlichen Aktivitätsniveau substantiell niedrigere Mortalitäten als inaktive Vergleichspersonen innerhalb desselben Beobachtungszeitraumes [6].
Wirkung von Bewegung auf Blutgefäße
Ein entscheidender Wirkmechanismus, welcher diesen positiven Effekten zugrunde liegt, ist die Wirkung körperlicher Aktivität auf die Architektur und Funktion von Blutgefäßen. Dies gilt sowohl für Gesunde als auch für Menschen, die bereits unter einem kardiovaskulären Risikofaktor wie arterieller Hypertonie oder Diabetes Mellitus Typ 2 leiden. In einer systematischen Übersichtsarbeit, die ungeachtet spezifischer Populationen angefertigt wurde, wurde eine mittlere Verbesserung der Endothelfunktion, also jener Zellen, welche die Gefäßwände auskleiden, von 2-3%-Punkten beobachtet [7]. Zwar konnte hier keine Überlegenheit einer bestimmten Belastungsmodalität (Ausdauer, Kraft, Kombination) festgestellt werden, dafür konnte allerdings ein positiver Dosis-Wirkungszusammenhang zwischen Intensität und Effekt für das Ausdauertraining bzw. zwischen Trainingshäufigkeit und Effekt für das Krafttraining beobachtet werden. So resultierte eine Intensitätssteigerung um 2-MET (VO2=6-7ml/(kg*h)) in einer Steigerung der flussvermittelten Vasodilatation von 1%-Punkt. In einer systematischen Übersichtsarbeit mit Menschen mit Diabetes Mellitus Typ 2 kommen Lee und Kollegen zu dem Schluss, dass insbesondere moderat intensives Training die besten Effekte erzielt, wohingegen Qui et al. zeigen, dass die Kombination von Ausdauer und Krafttraining den isolierten Effekt des Ausdauertrainings für Menschen mit DMT2 von 1,2% Punkten auf 2,5%Punkte verdoppelt und das ungeachtet der Trainingsintensität. Auch Menschen mit arterieller Hypertonie profitieren von der endothelmodulierenden Wirkung des Ausdauertrainings [8]. Die Synthese von 5 RCTs fand einen mittleren Effekt von 1,4%-Punkten und ist damit vergleichbar mit den Effekten aus den anderen Populationen. Zu möglichen Dosis-Wirkungszusammenhängen liegen keine Ergebnisse vor. Die mit 144 Probanden größte eingeschlossene Studie von Swift et al. [9] identifizierte die Effekte lediglich für jene Patienten, welche bereits zu Interventionsbeginn eine gestörte Endothelfunktion aufwiesen. Die Studie hatte 4 interventionsarme und eine inaktive Kontrollgruppe. Die Interventionsgruppen trainierten bei 4, 8 bzw. 12-MET-h pro Woche (die 150 min Moderate Aktivität entsprechen etwa 10 MET-h/w). Alle Gruppen unterscheiden sich signifikant von der Kontrollgruppe, zwischen den Interventionsgruppen konnte keine Überlegenheit festgestellt werden.
Dieser positive Effekt körperlichen Trainings lässt sich auf die Scherbelastung zurückführen, welche unter körperlicher Anstrengung in den Blutgefäßen passiert und provoziert, dass sich Architektur und Flexibilität der Endothelschicht verändert. Zum einen werden die Gefäßwände schlanker, was das Durchflussvolumen erhöht, zum anderen steigt der Elastingehalt in den Gefäßwänden an, wodurch die Blutgefäße an Flexibilität gewinnen [10,11].
Fazit
Durch die großen wissenschaftlichen Anstrengungen der vergangenen Jahrzehnte ist es inzwischen gelungen die korrelative Evidenz zugunsten Körperlicher Aktivität in kausale Evidenz umzuwandeln von der wir nicht nur wissen, dass sie wirkt, sondern auch wie sie wirkt. Zwar sind noch immer viele Detailfragen wie jene der optimalen Trainingsgestaltung ungeklärt und teilweise widersprüchlich, eindeutig ist allerdings, dass jeder aktive Schritt dazu beiträgt, die kardiovaskuläre Gesundheit positiv zu beeinflussen.
Literatur
[1] Blair SN, Smith GD, Lee I-M, et al. A tribute to Professor Jeremiah Morris: the man who invented the field of physical activity epidemiology. Annals of epidemiology 2010;20:651-660
[2] Cornelissen VA, Smart NA. Exercise training for blood pressure: a systematic review and meta‐analysis. Journal of the American heart association 2013;2:e004473
[3] Umpierre D, Ribeiro PA, Kramer CK, et al. Physical activity advice only or structured exercise training and association with HbA1c levels in type 2 diabetes: a systematic review and meta-analysis. Jama 2011;305:1790-1799
[4] Smith AD, Crippa A, Woodcock J, Brage S. Physical activity and incident type 2 diabetes mellitus: a systematic review and dose–response meta-analysis of prospective cohort studies. Diabetologia 2016;59:2527-2545
[5] Lindström J, Ilanne-Parikka P, Peltonen M, et al. Finnish Diabetes Prevention Study Group Sustained reduction in the incidence of type 2 diabetes by lifestyle intervention: follow-up of the Finnish Diabetes Prevention Study. Lancet 2006;368:1673-1679
[6] Wen CP, Wai JPM, Tsai MK, et al. Minimum amount of physical activity for reduced mortality and extended life expectancy: a prospective cohort study. The lancet 2011;378:1244-1253
[7] Ashor AW, Lara J, Siervo M, et al. Exercise modalities and endothelial function: a systematic review and dose–response meta-analysis of randomized controlled trials. Sports medicine 2015;45:279-296
[8] Pedralli ML, Eibel B, Waclawovsky G, et al. Effects of exercise training on endothelial function in individuals with hypertension: a systematic review with meta-analysis. Journal of the American Society of Hypertension 2018;12:e65-e75
[9] Swift DL, Earnest CP, Blair SN, Church TS. The effect of different doses of aerobic exercise training on endothelial function in postmenopausal women with elevated blood pressure: results from the DREW study. British Journal of Sports Medicine 2012;46:753-758
[10] Kränkel N, Bahls M, Van Craenenbroeck EM, et al. Exercise training to reduce cardiovascular risk in patients with metabolic syndrome and type 2 diabetes mellitus: How does it work? European Journal of Preventive Cardiology 2019;26:701-708
[11] Seals DR, Nagy EE, Moreau KL. Aerobic exercise training and vascular function with ageing in healthy men and women. The Journal of physiology 2019;597:4901-4914
Korrespondenzadresse:
Maximilian Köppel
Deutscher Verband für Gesundheitssport und Sporttherapie (DVGS e.V.)
Institut für Sport und Sportwissenschaft Heidelberg
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